Unsere Lieblingstexte und -bücher





  Nicht wie Rosen, nicht wie Nelken, 
Die heut blühen, morgen welken, 
Sondern wie das Immergrün, 
soll die ehlich Treue blühn. 
Aus einem Hochzeitsgedicht 
Tirol 1874




***



Die Unruh, die die Liebe stiftet,
war auf der Erde unbekannt-
bis durch den Zauber deines Blickes
der Aufruhr in der Welt entstand.

Oh, löse deines Kleides Bande,
dann löst in Lust sich auch mein Schmerz.
Denn nur durch deine Liebe
ward mir Erlösung stets von diesem Schmerz.

Bei meiner Treue sei's geschworen,
geh an das Grabmal des Hafiz,
der deine Blicke wünscht zu schauen,
auch wenn er schon die Welt verließ.



***

Liebesglut

Sie liebt mich nicht. Nun brennt mein Herz
Ganz lichterloh vor Liebesschmerz,
Vor Liebesschmerz ganz lichterloh
Als wie gedörrtes Haferstroh.

Und von dem Feuer steigt der Rauch
mir unaufhaltsam in das Aug,
Daß ich vor Schmerz und vor Verdruß
Viel tausend Tränen weinen muß.

Ach Gott! Nicht lang ertrag' ich's mehr! -
Reicht mir doch Feuerkübel her;
Die füll ich bald mit Tränen an,
Daß ich das Feuer löschen kann.

Seitdem du mich so stolz verschmäht,
Härmt ich mich ab von früh bis spät,
So daß mein Herz bei Nacht und Tag
Als wie auf heißen Kohlen lag.

Und war es dir nicht heiß genug,
Das Herz, das ich im Busen trug.
So nimm es denn zu dieser Frist,
Wenn dir's gebacken lieber ist.





Wilhelm Busch




***


Ein Stündlein wohl vor Tag 

 Derweil ich schlafend lag, 
Ein Stündlein wohl vor Tag, 
Sang vor dem Fenster auf dem Baum  
Ein Schwälblein mir, ich hört es kaum, 
Ein Stündlein wohl vor Tag: 

"Hör an, was ich dir sag! 
Dein Schätzlein ich verklag: 
Derweil ich dieses singen tu, 
Herzt er ein Lieb in guter Ruh, 
Ein Stündlein wohl vor Tag. 

"O weh! nicht weiter sag! 
O weh! nichts hören mag! 
Flieg ab, flieg ab von meinem Baum! 
- Ach Lieb und Treu ist wie ein Traum 
Ein Stündlein wohl vor Tag. 

Eduard Mörike


***






Nimmersatte Liebe 

So ist die Lieb! So ist die Lieb!
Mit Küssen nicht zu stillen:
Wer ist der Tor und will ein Sieb 
Mit eitel Wasser füllen? 
Und schöpfst du an die tausend Jahr 
Und küssest ewig, ewig gar, 
Du tust ihr nie zu Willen. 

Die lieb, die Lieb hat alle Stund 
neu wunderlich Gelüsten; 
Wir bissen uns die Lippen wund, 
Da wir uns heute küssten.
Das Mädchen hielt in guter Ruh, 
Wie's Lämmlein unterm Messer; 
Ihr Auge bat: "Nur immer zu! 
Je weher, desto besser!" 

So ist die Lieb! Und war auch so, 
Wie lang es Liebe gibt, 
Und anders war Herr Salomo, 
Der Weise nicht verliebt. 

Eduard Mörike